Heute sehr früh aufgestanden, 6.30. Wir wollen heute über den Grenzübergang bei Raja Jooseppi, südöstlich von Ivalo, nach Russland. Hierzu hatten wir uns ja schon in mühevoller Kleinarbeit ein Visum besorgt, welches jetzt auch seine Aufgabe erfüllen soll. Nach dem Waschen schnell das dreckige Geschirr vom Vortag gespült. Uli ist jetzt auch schon auf und wir beschäftigen uns mit dem Frühstück. Hierzu vor allem Kaffee, sowie die eingekauften Eier kochen, damit wir für die nächsten Tage vorgesorgt haben. Ebenso wird nach dem Frühstück nochmals Kaffee für die Thermoskanne aufgesetzt. Wieder das Geschirr spülen und einpacken. Ebenso alles andere. Schlafsäcke rollen und Hütte aufräumen sowie säubern soweit es geht.
Als ich zur Toilette gehe sehe ich Jörg an der Rezeption sitzen und eine Tasse Kaffee trinken. Ich setze mich zu ihm und wir unterhalten uns über den heutigen Tag, was jeder so macht. Dann kommt auch noch Svantje hinzu, komplett, mit Auto, Kind(ern) und Kegel. Sie gibt den Schlüssel an der Rezeption ab und verabschiedet sich von uns. Ich lade Jörg noch zu uns ein, damit er sich ein frisch gekochtes Ei zu seinem Frühstück gönnen kann. Dann werden alle unsere Sachen im Wagen verstaut. Nachdem nun alles fertig ist und wir los könnten, gehen wir nochmals gemeinsam zu Jörg uns zu verabschieden. Dann Schlüssel an der Rezeption abgeben, alles Gute wünschen und ab gehts.
Beinahe hätten wir vergessen noch nach Inari reinzufahren um uns dort im Geschäft mit Gaskartuschen für den Gasbrenner einzudecken. Weiter nach Ivalo, dort abbiegen auf die Strasse nach Murmansk. Nach weiteren 50 Kilometern sind wir dann endlich an der finnisch/russischen Grenze. Die finnischen Grenzbeamten sitzen auf einer Bank draussen vor dem Gebäude in der Sonne. Wer Asterix auf Korsika kennt, vorallem die Szenen mit den alten Männern auf der Bank, kann sich einen Eindruck von der Szene machen. Wir gehen mit unseren Pässen rein. Der Finne sieht diese kurz durch und reicht sie uns wieder. Noch einer kurzer Blick eines anderen auf unser Gepäck im Wagen und die Schranke hebt sich. Es ist 12.30 finnischer Zeit.
Es sind ungefähr 300 Meter bis zur russischen Grenze. 1 Stunde später erreichen wir diese, also um 13.30. Nun gut, das war nur die Zeitumstellung, also keine Panik. Man winkt uns nach einem nett ausgetauschten drawstwutje (russ.: guten Tag) durch und müssen an einem Kontrollhäuschen anhalten, aussteigen und mit den Papieren hinein. Hier dürfen wir nach kurzer Unterweisung in das entsprechende Formular dieses auch ausfüllen. Das übliche wie Name, geboren warum, wo, Pass-Nr., von wo, nach wohin, Tag der Einreise, Tag der Abreise etc.. Nach kurzer Durchsicht ob wir auch alle Felder ausgefüllt haben, müssen müssen wir noch eine Kopie des Zettels ausfüllen. Kopie bedeutet, einen neuen Zettel ausfüllen. Danach müssen wir zu einem Schalter. Da ich der Fahrer des Wagens bin, bin ich auch zuerst dran. Er prüft den eben ausgefüllten Zettel und plötzlich wird sein Blick etwas trüber. Er nimmt den Telefonhörer zur Hand, wählt irgendeine Nummer und spricht dann irgendwas, wovon ich nur ein paarmal Werner höre, also meinen Rufnamen, und dann zeitlich etwas später meinen Rufnamen sowie meine anderen Vornamen. Ich erinnere mich, dass ich auf dem Zettel nur meinen Rufnamen angegeben habe, im Pass allerdings alle 3 Vornamen stehen. Ich erinnere mich ebenso, dass in meinem KFZ Schein nur die ersten beiden Vornamen stehen, der dritte nicht. Ohje, ohje, welch ein Durcheinander, glaube ich aus seinem Blick zu lesen.
Hier hat also nichts mehr seine geordnete Gültigkeit und seine Verzweiflung scheint zu wachsen. Mittlerweile gesellt sich ein anderer Beamter zu ihm. Beide tauschen sich aus. Der neu hinzugekommene verschwindet wieder. Endlich scheint er eine befriedigende Antwort aus dem Telefon erhalten zu haben. Man hört wie er den Hörer auflegt. Danach nur noch, mindestens gefühlte 100 Mal, Stempel drücken. Als er mit seiner Prozedur zu Ende ist, sehr wahrscheinlich er selbst auch, händigt er mir die Papiere aus.
Weiter geht es zum Zoll. Zumindest ich muß den Wagen deklarieren und noch so einiges anderes. Danach geht es mit dem Zollbeamten, der aber sehr verständnisvoll zu sein scheint, zum Wagen. Heckklappe öffnen ist angesagt. Er schaut kurz durch die offenen Fresskisten und öffnet den Karton mit den Eiern. Diese seien verboten meint er nur lapidar. Als er nichts weiter moniert, frage ich ihn was jetzt mit den Eiern geschehen soll. Daraufhin antwortet er nur ‘aufessen’ und schließt die Heckklappe wieder.
Endlich, nach einer Stunde Pass und Zollformalitäten, können wir die Kontrollstaion verlassen. Kurz hinter dem Gebäude erfasst uns die russische Realität. Der Fahrbahnbelag ändert sich von geteert auf 10 Meter breite Schotterpiste welche mit Schlaglöchern übersäät ist. Dieser Piste folgen wir für die nächsten 5-7 Kilometer bis wir an eine neue Kontrollstation gelangen. Die Fahrbahn ist mit einem Gitterzaun versperrt und davor hält ein Grenzbeamter mit MP Wache. Langsam nähern wir uns dem Posten, halten den Wagen an, Motor und das obligatorische Licht aus. Wiederum nach einem freundlichen ‘drawstwutje’ und Überreichung der Papiere verschwindet er in der Baracke wo er wohl mit der Grenzstation spricht und sich davon überzeugt dass wir auch bei denen durchgekommen sind. Hierbei frage ich mich wer wohl freiwillig über die ‘grüne’ Grenze kommen mag. Jedenfalls scheint alles in Ordnung zu sein. Wir bekommen unsere Papiere wieder und der Schlagbaum wird angehoben. Wir dürfen weiter.
Weiter bedeutet, weiter auf dieser Schlaglochpiste. Schneller als 40 geht es kaum, meistens langsamer. Dies geht so weiter auf rund 15-20 Kilometern. Wir fragen uns schon wie wir unsren Zeitplan einhalten können. Immerhin, so haben wir gelesen, ist der Grenzübertritt nur zwischen 7.00 und 21.00 möglich (bzw. 8-22 russ. Zeit). Endlich gibt es wieder eine geteerte Fahrbahn welche auch ganz passabel ist. Sogar mit Randbegrenzung, Mittelstreifen und Kilometerangaben, ausgehend von der Grenze. Nach weiteren 50 Kilometern kommen wir an den Abzweig auf den wir schon sehnsüchtig gewartet haben. Die Strasse rauf nach Nikel. Schließlich hatten wir nicht vor nach Murmansk zu fahren. Nachdem wir durch die letzten Kilometer fahrbahnmäßig sehr verwöhnt wurden, machten wir uns schon wieder Hoffnung darauf unsere Reiseziele in Russland einhalten zu können. Aber wie sagte mal jemand.. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Die Schilder haben Untertitel wie ‘Restauration’. Wenn man sich die Strasse ansieht fragt man sich allerdings was hier restauriert werden soll – ein Fahrweg der Steinzeitmenschen?
Also wieder Schlaglochpiste, dann wieder normale Fahrbahn, auch die Kombination, geteerte Fahrbahn mit vielen Schlaglöchern, ist sehr beliebt. 20 Kilometer vor Nikel scheint nun wirklich die Welt am Ende zu sein. Selbst Schlaglochpiste ist ein Euphemismus. Aber dann doch noch. Der sowjetische oder russische Reformgeist hat ein Einsehen, sehr wahrscheinlich hat sich Lenin persönlich über die Zustände beschwert, und wir befinden uns nun wieder auf einer geteerten Fahrbahn, dreispurig, wie man es von Frankreich her kennt.
Nikel ist schon von weitem aus zu erkennen. Die langen Rauchfahnen über der Stadt kündigen sie selbst an. Es ist ein unglaublicher Anblick. Riesige Abraumhalden, groß wie Berge, türmen sich hinter der Stadt auf. Zum Teil ist die Fabrik durch den von ihr ausgeströmten Smog gar nicht mehr zu erkennen. Die Schornsteine erscheinen uns wie riesige Fernsehtürme, allerdings ohne Aussichtsplattform. Was sollte man von ihnen auch, außer Einöde, erspähen.
Wir umfahren Nikel und weiter geht es Richtung Petschenga, das alte finnische Petsamo. Wir haben uns für eine Nebenstrecke entschieden und werden auch prompt von ihr belohnt. Wellig, buckelig und Schlagloch behaftet bietet sich diese unseren Pneus dar. Ich fühle sogar etwas mit dem Wagen. Immerhin hat er uns auf der bisherigen Reise treu gedient und begnügt sich auch weiterhin, trotz voll bepackt, mit ca. 5 Litern.
Petchenga begrüßt uns mit einem militärischen Wachposten, welcher neben der Strasse steht und wohl darauf achtet dass die vorbeifahrenden Autos auch wirklich die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten. Petchenga ist eine einzige große Kaserne, zumindest was wir so von der Hauptstrasse aus zu sehen bekommen. Immerhin ist dies hier als Grenzregion ausgewiesen und man ist angewiesen nicht von der Hauptstrasse abzuweichen. Am Ortseingang dann ein großer Kreisverkehr. Rechts davor ein Denkmal mit einem Panzer drauf. Etwas dahinter ein Denkmal mit irgendeiner Person als riesige Statue. Nun also am Kreisverkehr links vorbei Richtung Linnahameri, der alten Küstenstadt. Wieder fahren wir an Kasernen innerhalb Petchengas vorbei. Sogar einige Kolonnen von Wehrpflichtigen marschieren am Strassenrand. Aber auch viele neue westliche Fahrzeuge sind im Strassenbild sichtbar. Sicherlich die Fahrzeuge der Offiziere.
Nach ca. 5 Kilometern erreichen wir erneut einen Kontrollposten. Nach Vorlage unserer Pässe verweigert er uns den Zutritt bzw. die Weiterfahrt nach Liinahameri da dies Sperrgebiet sei. Wird sind zwar etwas enttäuscht, aber aufgrund unseres engen Zeitplans, sehen wir darüber hinweg und machen uns auf den Rückweg über Nikel und dann zum Grenzort Storskog und weiter nach Kirkenes.
Hinter Nikel gelangen wir an den ersten Grenzposten Richtung Norwegen. Wieder ist die Fahrbahn mit einem Eisengitter versperrt. Vor uns stehen noch zwei andere russische Fahrzeuge. Der Grenzposten macht hier ordentlich seinen Dienst. Auch wir sind bald an der Reihe und der Zaun wird geöffnet, sodass wir zur Grenze, und damit zur Hauptabfertigung, weiterkönnen. Diesmal haben wir weiterhin eine geteerte Strasse vor uns. Nach ca. 10 Kilometern erreichen wir die russische Grenzstation. Uns wird bedeutet den Wagen abzustellen und mit unseren Papieren ins Gebäude zu gehen. Drinnen wartet ein junger Grenzer. Ich gebe ihm die Papiere und er händigt mir ein schon bekanntes Formular aus, diesmal allerdings für die Ausreise. Wieder alles eintragen. Keine Waffen, kein spaltbares Material oder starke Drogen. Anscheinend geht hier alles glatt. Die Papiere werden abgestempelt und ich bekomme zusätzlich noch ein kleines Codekärtchen. Zusammen mit dem Grenzer geht es nun zum Fahrzeug. Ich soll die Heckklappe öffnen. Dann beginnt die Durchsuchung des Reisegepäcks bzw. der offenen Kisten. Eine nach der anderen wird durchsucht und anschließend auf der Strasse abgestellt. Als bis auf die Koffer nichts mehr im Wagen ist gibt er sich wohl zufrieden und bedeutet mir dass ich alles wieder einräumen dürfte. Alles ist nun wieder verstaut und Uli ist mit seiner Kontrolle auch fertig. Zusammen geht es dann im Wagen zum nächsten Zaun der nun entgültig Russland von Norwegen trennt. Am Gitter erwartet uns eine Grenzbeamtin. Diese hatte wohl die ganze Prozedur mit der Durchsuchung mitbekommen und setzt nun ein breites Lächeln ein um uns vielleicht doch noch einen netten Eindruck von Mütterchen Russland zu hinterlassen. Wir bedanken uns mit einem lauten ‘Spassiba’ und fahren die paar Meter weiter zur norwegischen Kontrollstation.
Alle Schranken unten, kein Grenzer zu sehen. Also wieder raus aus dem Wagen und rein ins Gebäude. Aber auch hier drinnen ist kein Mensch zu sehen. Selbst nach einem lauten ‘Hallo’ rufen passiert nichts. Verdutzt stehen wir nun hier und fragen uns wie es jetzt weitergehen soll. Doch da öffnet sich eine Tür und herein kommt ein norwegischer Grenzbeamter. Dieser geht nun zu seinem Amtssitz und bekommt von uns unsere Papiere ausgehändigt. Mit weit ausgebreiteten Armen beginnt er am Comupter irgendetwas einzuhacken. Nach einigen ist alles klar und wir dürfen wieder zum Wagen wo ein anderer Beamter auf uns wartet. Dieser geht nur einmal rund um den Wagen guckt kurz hinein und fragt mich nach Zigaretten und Tabak. Ich antworte ihm das wir nur ein Päckchen Zigaretten und 2 Päckchen Tabak bei uns hätten woraufhin er abwinkt und uns eine gute Reise wünscht. Die Schranke hebt sich zur Einreise nach Norwegen.
Geschafft, wir haben Russland überlebt und hinter uns gelassen. Nächste Station ist Kirkenes. Wir stellen den Wagen ab und sehen uns etwas um. Allerdings ist hier nicht mehr viel los. Es ist mittlerweile so 22.00. Uli besorgt uns am Geldautomaten noch ein paar norwegische Kronen. Danach geht es weiter. Eigentlich wollen wir irgendwo hinter Kirkenes campen. Doch der eine Campingplatz existiert gar nicht mehr, ein anderer hat seine Rezeption schon geschlossen. Außerdem liegt dieser direkt an der Strasse, kommt also für uns erst gar nicht in Frage. Weiter geht es zu einem weiteren, wobei dann die Beschilderung für diesen nicht mehr existiert und wir somit erstmal auf einem Rastplatz halt machen.
Wir trinken etwas Kaffee und essen ein paar Brote mit Käse und Tomaten, dazu unsere gekochten Eier. Nach dieser Stärkung beschließen wir in einem Rutsch weiter bis Gamvik zu fahren. Da die mitternächtliche Sonne scheint, es also fast so hell wie an einem schönen Sommerabend bei uns ist, ist die Weiterfahrt nicht weiter anstrengend und wir genießen die Schönheit der Landschaft.
11. Tag – Russland in 8 Stunden
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